Story
Die junge Filipina Nieva steht vor der wichtigsten Aufgabe ihres Lebens, sie muss das Leben ihres kleinen Bruders retten. Ohne Operation stehen seine Überlebenschancen bei null, doch diese kann sich ihre Familie nicht leisten. Ein Jobangebot auf Zypern verspricht der finanzielle Rettungsanker zu sein, doch die monetäre Verlockung treibt Nieva in die Fänge eines Psychopathen der seine Opfer misshandelt, um sie letztlich zu enthaupten.
Klappentext
Ihr kleiner Bruder wird sterben.
Das ist die unausweichliche Konsequenz wenn es Nieva nicht gelingt das Geld für seine lebensrettende Operation aufzutreiben. Die Aussage von Dr. Malong hallt noch hart und unmissverständlich in ihrem Kopf und fordert unbarmherzig nach einer Lösung. Hier, auf den Philippinen, hat sie vom Sozialsystem nichts zu erwarten, ihre Familie ist arm, doch die Zeit drängt. Nieva sieht die Rettung in einem lukrativen Jobangebot und geht nach Zypern
Nach wenigen Wochen stößt sie in den Unterlagen ihres neuen Arbeitgebers auf eine Sammlung von Zeitungsberichten.
„Eine Mordserie erschüttert Frankfurt, drei misshandelte Frauenleichen ohne Kopf. Die Großstadt ist sich sicher, dass ein Psychopath sein Unwesen treibt. Die Presse nennt ihn bereits den „Schädelsammler“.
Nieva beginnt einige sonderbare Ereignisse der vergangenen Tage in einem neuen Licht zu sehen und realisiert, dass sie sich in tödlicher Gefahr befindet.
Kurz darauf werden in einem nahe gelegenen Bergwerksschacht mehrere enthauptete Frauenleichen gefunden und es wird klar, dass die Mordserie auf Zypern ihre grausame Fortsetzung genommen hat.
Währenddessen wartet in Tanza ein kleiner Junge verzweifelt auf seine Schwester, die er seit Tagen nicht erreichen kann.
Blick ins Buch
Zypern, 04.März 2018
Verzweifelt kauerte Nieva in der Ecke des Kellerverlieses. Sie war sich sicher, dieses muffige Loch, an dessen Wände sich der beißende Gestank der Verwesung tief in den anhaftenden Dreck der letzten Jahrzehnte hineingefressen hatte, nie wieder lebend zu verlassen. Es war dunkel, der Winkel, in den sie sich verkrochen hatte, war keine zwei Meter lang und kaum einen breit. Schauriges Heulen drang aus den Stollen, die sich wie Ameisenstraßen durch den Mount Olympos zogen. Einige der Gänge endeten hier im Keller der alten Villa. Nieva glaubte, aus den Stollen Schreie zu vernehmen, Stimmen, die verstummten, um sich dann plötzlich wieder Raum zu verschaffen. „Alte Häuser, viele Töne“, erinnerte sich Nieva an seine Worte. „So ein Dreck!“, schrie sie laut in die Dunkelheit. Und sie hatte diesem Scheiß auch noch Glauben geschenkt. Dummes, kleines Mädchen, wie blöd kann man eigentlich sein, schallt sie sich.
Durch die alten Steinmauern der Kellerwände drückte sich die Feuchtigkeit, die an Nievas Beinen und ihrem Rücken emporkroch und versuchte, ihr die Körpertemperatur Grad für Grad auszusaugen und sie auf diesem Wege dahinzumeucheln wie ein schleichendes Gift.
Nieva flehte in diesem Moment nach dieser Art des Todes. Es wäre allemal besser als das, was sie zu erwarten hatte, wenn „er“ sie das nächst Mal in ihrem Verlies heimsuchte. Sie war ihm nur für eines dankbar: Hätte er geahnt, welchen Gefallen er ihr tat, als er das Licht des Kellers löschte, hätte er es bestimmt brennen lassen. Wahrscheinlich hätte er dem Schauspiel von der obersten Treppenstufe aus beigewohnt und sich daran ergötzt, wie Nieva panisch auf den zerstückelten Frauentorso, der mitten in der riesigen Kelleretage auf dem Tisch lag und ihr ihre Zukunft prophezeite, starrte. Dank der Dunkelheit konnte sie diesen zum Glück nicht mehr sehen, obwohl es ihr widerstrebte, in diesem Zusammenhang das Wort „Glück“ zu verwenden. Sehen konnte sie ihn nicht mehr, sehr wohl aber riechen. Der beißende Gestank der einsetzenden Verwesung schnürte ihr die Luft ab.
Es erschien ihr ein akzeptabler Deal, sich von der Kälte das Leben aus dem Körper saugen zu lassen. Nicht die menschliche Kälte, die sie so unerwartet getroffen hatte, nein, die modrige, muffige und feuchte Kälte könnte ihr Verbündeter werden und sie von all dem hier erlösen. Im selben Augenblick, in dem dieser Wunschgedanke ihren schwindenden Geist verlassen hatte, war ihr aber eines klar - er würde nicht so gnädig sein, sie die Art ihres Todes selbst wählen zu lassen. Ein Blitz durchzuckte Nieva, als sie ihre schmerzende Hand aus dem Schleim am Boden zog. „Gebrochen“, diagnostizierte sie, das Handgelenk hatte den Sturz in den Keller nicht unbeschadet abfangen können. Die klebrige Feuchtigkeit auf dem Boden fühlte sich an wie Blut, das Blut ihrer Vorgängerinnen, war sie sich sicher. Allein der Gedanke, im Blut der letzten Opfer eines psychopathischen Serienmörders zu kauern, um auf den eigenen Tod zu warten, brachten Nieva schier um den Verstand. Wer weiß, wie viele es tatsächlich waren, schoss es ihr durch den Kopf und sie begann, ihn immer und immer wieder verzweifelt gegen die Mauer zu schlagen. Blut rann aus der Platzwunde an ihrer Stirn und sammelte sich zu einem dunkelroten Rinnsal, welches sich den Weg über ihr Gesicht bahnte, um letztlich eins mit dem Morast am Boden zu werden.
„Meinen Kopf bekommst du nicht, zumindest nicht in einem Stück!“, schrie Nieva in die Dunkelheit und schlug noch einmal hart mit dem Schädel gegen die Kellerwand, bevor sie bewusstlos zusammenbrach. Eine erlösende Bewusstlosigkeit, aus der sie nicht mehr zu erwachen hoffte.